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Folgenreiches Urteil des BFH: Wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist steuerbare Leistung für den Abgemahnten

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die durch eine Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten einen nicht steuerbaren Schadensersatz oder eine steuerbare Leistung für den Abgemahnten darstellt. Überraschend kommt der Bundesfinanzhof zu dem Ergebnis, dass es sich hierbei steuerrechtlich um einen Leistungsaustausch zu Gunsten des Abgemahnten handelt und dieser daher auf die „Leistung“ eine Mehrwertsteuer zu zahlen hat. (Vgl. BFH, Urteil vom 21.12.2016, Az.: 11 r 27/14).

 

Was war geschehen:

Ein Unternehmer sprach mehrere Abmahnungen gegenüber Wettbewerbern wegen fehlerhafter AGBs aus. Dabei machte er jeweils einen Aufwendungsersatz für seine außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten geltend.

 

Gemäß der absolut gängigen Praxis bei solchen Abmahnungen wurden die Rechtsanwaltskosten lediglich gemäß des Nettobetrages geltend gemacht. Diesem üblichen Vorgehen liegt das Argument zugrunde, dass der Unternehmer vorsteuerabzugsberechtigt ist und somit der Umsatzsteueranteil aus der Rechnung seines Anwaltes für ihn keinen Schaden darstellt. Dies liegt daran, dass bisher der Rechtsanwalt keine Rechnung an den Abgemahnten stellt sondern an seinem Mandanten, für den er die Abmahnungen ausspricht. Ein vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer erhielt dann bisher die auf diese Rechnung gezahlte Mehrwertsteuer vom Finanzamt zurück. Somit war es folgerichtig, die aus dem Schadensersatzgesichtspunkt geforderten außergerichtlichen Anwaltskosten lediglich gemäß des Nettobetrages bei dem Abgemahnten einzufordern.

 

Was ist die Rechtsfrage:

Unterliegt ein Unternehmer der Umsatzsteuerpflicht, so hat er demjenigen, gegenüber dem eine entgeltliche Leistung erbracht wird, die Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG).

Sowohl bei wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen als auch bei Abmahnungen wegen der Verletzung gewerblicher Schutzrechte, wie beispielsweise das Markenrecht oder auch bei Urheberrechtsverletzungen wurde früher, als noch keine expliziten Schadensersatz- bzw. Aufwendungsersatzansprüche für die Abmahnkosten in den jeweiligen Gesetzen vorhanden waren, damit argumentiert, dass es sich um eine Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) gegenüber dem Abgemahnten handelte.

 

 

Der Abmahnende hatte somit einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gemäß GoA. Diesem Argument lag die Vorstellung zugrunde, dass dem Abgemahnten durch die Abmahnung der Weg zurück zu einem rechtmäßigen Verhalten und zu einer Lösung ohne gerichtliche Inanspruchnahme gewiesen wird.

 

Abgesehen davon, dass bereits zu damaligen Zeiten kaum ein Abgemahnter der Ansicht gewesen sein dürfte, dass ihm hier etwas Gutes getan wird, gibt es zwischenzeitlich in allen relevanten Gesetzen einschlägige Schadensersatz- und Aufwendungsersatzregelungen, so dass es heute gängige Praxis ist, nicht mehr auf den GoA Gedanken abzustellen sondern die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gemäß der jeweiligen gesetzlichen Regelung als Aufwendungsersatz oder Schadensersatz geltend zu machen. Bei einer Forderung aus Schadensersatz ist jedenfalls nach bisheriger Ansicht klar, dass es sich dabei nicht um eine steuerbare Leistung für den Abgemahnten handelt sondern ausschließlich um eine Leistung des Anwaltes zugunsten seines Mandanten, für den er die Abmahnung ausspricht, während der Abgemahnte die dadurch entstandenen Kosten eben als Schadensersatz zu ersetzen hat.

 

Die Entscheidung des BFH:

Überraschend kam der BFH nun aber zu einem anderen Ergebnis. Nach Ansicht des BFH liegt dem Rechtsverhältnis zwischen Abgemahnten und Abmahnenden nach wie vor der Gedanke der GoA zu Grunde. Die dem Abmahnenden aufgrund dieses Rechtsverhältnisses zustehenden Aufwendungsersatzansprüche entstehen aufgrund der gegenüber dem Abgemahnten ausgeführten „Leistung“.

 

Gleiches gelte für die spezialgesetzlich geregelten Aufwendungsersatzansprüche. Dass daneben auch Schadensersatzansprüche bestehen können, aus denen ebenfalls ein Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangt werden könnte und die zwischenzeitlich auch spezialgesetzlich geregelt sind, ändere diese Beurteilung nicht.

 

Rechtsfolge aus der Entscheidung:

Diese Entscheidung hat nun weit reichende Folgen, sowohl für den Abmahnenden als auch für den Abgemahnten.

 

Gegenüber dem Abmahnenden gibt es - soweit noch nicht verjährt - Ansprüche des Finanzamtes auf Zahlung von Umsatzsteuer auf die "entgeltlich" ausgeführte "Leistung".
 

Darüber hinaus ist die Rechtsprechung für frühere und zukünftige Abmahnungen in der Form zu berücksichtigen, dass gegenüber dem Abgemahnten nunmehr die Bruttokosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung geltend zu machen sind. Aus Sicht des Abgemahnten hat dieser also nicht wie bisher üblich, lediglich den Nettobetrag der Abmahnkosten zu begleichen sondern die Bruttokosten, im Gegenzug erhält er hierfür eine Rechnung, die er wiederum – wenn es sich um einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer handelt – steuerlich geltend machen kann.

 

Sind also bisher Abmahnkosten lediglich als Schadensersatz und durchlaufender Posten verbucht worden und sind die hierzu ergangenen Steuerbescheide noch nicht endgültig rechtskräftig, so empfiehlt es sich aus Sicht des Abmahnenden zu überprüfen, ob hier nachträglich Handlungsbedarf besteht. In solchen Fällen wäre ggfs. gegenüber den Abgemahnten nachträglich eine Rechnung zu stellen und die Mehrwertsteuer einzufordern und die Steuererklärung entsprechend anzupassen.

 

Verfasser: RA/FA Falco Henkel

Erstellungsdatum: 24.04.2017

24.04.2017